Salama
von Avinasho Susanne Elten
genommen aus der Oshotimes
September 2006
ALLES MUSS ANS LICHT
… lautet das Motto von Salama
Salama ist Jahrgang 1922, ziemlich fit und so etwas wie die Grande Dame der Münchner Sannyas-Szene.
„Ist das nicht lästig?“, frage ich mich und sie. „Wenn man so alt ist, projizieren doch sicher sehr viele Leute ihre Mutterthemen auf einen.“
„Sowieso“, sagt Salama trocken. „Als Therapeutin bist du immer eine Projektionsfigur.“
NIE WIEDER DIE KLAPPE HALTEN!
Salama ist in Ingolstadt geboren, deswegen der gepflegte bayerische Akzent, trotz langer Zeit in Berlin. Von 1932 bis 1945 lebte sie dort mit Vater, Mutter, Schwester und studierte an der Kunstakademie Grafik – sofern das in diesen Zeiten noch möglich war. Die Begabung fürs Zeichnen und Malen hat sie vom Vater geerbt und schon als Kind entdeckt – während des Unterrichts portraitierte sie die Lehrer.
Damals hatte sie eine halbjüdische Busenfreundin. Als deren Eltern deportiert wurden, bestürmte Inge, wie sie damals hieß, ihren Vater – ein Mann mit Einfluss –, etwas für deren Familie zu tun. Der sprach: „Halt den Mund, sonst kommen wir alle ins KZ.“ Salama sagt: „Danach wollte ich nie wieder im Leben die Klappe halten. Das ist die Grundlage meiner Therapie. Alles muss ans Licht!“
Salamas Mutter, eine Hellseherin und Astrologin, hat ihr schon als Kind vieles vorhergesagt, z.B.: „Hitler wird einen Krieg anfangen, die Deutschen werden ihn verlieren, aber wir werden überleben. Es wird vorbeigehen.“ Oder: „Mit den Männern, das wird anstrengend – aber an deinen Kindern wirst du viel Freude haben.“ Salama selbst hat die Hellsichtigkeit insofern geerbt, als sie sieht, wenn jemand bald sterben wird. Aber auch: „Du wirst sehr alt werden“.
KRIEGSWIRREN
Gegen Ende des Krieges wurde sie dienstverpflichtet. Ihr Arbeitsplatz war das Patentamt in Kreuzberg. Kreuzberg wurde eines Tages im Winter 1945 drei Stunden bombardiert. Salama saß zitternd im Keller, als die Bomben ins Haus krachten. Mit einem Hammer hackten sie und die anderen Eingeschlossenen einen Durchgang zum Nachbarhaus-Keller. Endlich im Freien, wurde sie von dem hinter ihr einstürzenden Gebäude verschüttet, „bis zur Brust im Dreck.“ Der Schock bewirkte den Entschluss: „Raus aus Berlin, nix wie weg!“ Ihr Freund und Studienkollege war verwundet, ihr Chef sagte: „Verschwinden Sie! Hauen Sie bloß ab. Am besten nach Bayern!“
So schlug sie sich in den Kriegswirren Richtung Bayern durch. Am 1. April 1945 fand sich Salama mit ihrem Freund in Ottobeuren im bayerischen Oberland wieder. Sie hielten sich mit Portraitmalen über Wasser. Ihre Kunden waren amerikanische Besatzungssoldaten. Und sie heirateten, weil: „In den 40er Jahren in der bayrischen Provinz – es ging einfach nicht anders!“ Aus der Kirche war sie schon längst ausgetreten: „Ich hatte einfach keinen Bezug dazu,“ konstatiert sie nüchtern.
REVOLUTIONÄRES DREIECK
Nach einer Weile zogen sie beide nach München. Salama verliebte sich in einen anderen Mann. „Ich hatte immer nur diesen einen Mann gekannt – ich wollte einfach wissen, wie es mit einem anderen ist.“ Wie sie das erzählt, mit ihren 84 Jahren; sobald sie sich an ihre jugendlichen Liebhaber erinnert, kommt sie immer noch in Fahrt. Fünf Jahre hielt das Dreieck: der Ehemann, der Liebhaber und sie. Eine Revolution in der verklemmten Enge der 50er Jahre! „Wir machten diese bürgerliche Nummer einfach nicht mehr mit!“ Und fertig.
Langsam aber sicher warf die 68er-Revolution ihre Schatten voraus. Salama ist inzwischen eine vielbeschäftigte Malerin und Grafikerin. Sie hat zwei kleine Töchter (von ihrem Mann) und einen Gatten, der nicht ganz so erfolgreich ist wie sie und der damit ein Problem hat. Aufbruchstimmung hängt in der Luft. Die Zeiten damals: jeden Abend Gäste – darunter auch später berühmte wie Michael Ende oder Ruth Drexel; linksintellektuelle Diskussionen, der Wunsch aus der Duckmäuserei auszubrechen, Kneipen, endlose Gespräche, Hoffnungen, die Sehnsucht nach einem neuen Lebensstil. Freiheit und Abenteuer am Horizont.
Doch das musste alles erstmal aus- und herbeidiskutiert werden – die Zeiten waren so. Salama gründete die Münchener außerparlamentarische Opposition (APO) mit. Im Vorstand war sie die einzige Frau unter neun Männern. Sie machte die Erfahrung, dass diese neun immer milde lächelten, wenn sie etwas sagte. Und dass die Männer ihre Ideen nach kurzer Zeit immer als ihre eigenen verkauften. Um das Problem an den Wurzeln zu packen, gründete sie Männer- und Frauengruppen. Die Idee war: Die Frauen sollten das Reden und die Männer das Zuhören lernen …
500 STUNDEN AUF DER COUCH
Ihre Ehe wurde immer schlechter, die Kinder litten, sie kam nicht mehr zurecht. Der Gedanke, dass sie etwas für sich tun musste, tauchte in ihr auf, wurde stärker und mündete im Entschluss zu einer Psychoanalyse. Es gab nichts anderes damals. Ab 1970 gab sie sich fünfhundert Stunden auf der Couch.
„Hat es dir was gebracht?“, frage ich sie. „Es hat mich gelehrt mit Bildern umzugehen und mit Träumen. Wirklich verändert hat mich dann die Körperarbeit, die ich später gelernt habe, z.B. die Bioenergetik bei Gerda Boyesen.“
DER GESUNDHEITSPARK
Das war auch die Zeit, als sie mit anderen aufgeweckten Menschen eine kleine private Grundschule gründete. Damals spielten die Ideen von Summerhill – den Kindern größtmögliche Freiheit zu lassen, in der Zuversicht, dass sie sich dann am besten entwickeln – eine große Rolle. Den Münchener Behörden und speziell dem Kulturministerium war das ein Dorn im Auge. Als man feststellte, dass die Kinder nach drei Jahren dort immer noch nicht lesen und schreiben konnten, nahm man das zum Anlass, die Schule zu schließen. „Die werden nie das Abitur schaffen“, war das Argument. Tatsache ist, dass alle diese Kinder das Abitur gemacht haben. Nicht zuletzt von dem Impuls angefeuert: „Denen werden wir´s zeigen!“
Salama schrieb für das BLATT. Das BLATT ist die Münchener Mutter aller Stadtzeitungen und war damals ein grafisch und inhaltlich revolutionäres (Schwarz-Weiß-) Heft. Sie schrieb über Marxismus und Psychologie, über Politik und psychische Gesundheit. Von ihrem Mann hatte sie sich inzwischen getrennt. Nun wurden die Leute vom Gesundheitspark auf sie aufmerksam und engagierten sie. Der Gesundheitspark, im Münchener Olympiapark gelegen, ist ein „Zentrum für Gesundheitsförderung“ der Volkshochschule, mit einem bunten Angebot für Körper und Seele. Seit über 30 Jahren arbeitet sie dort … immer noch.
SALAMA HEIßT FRIEDEN
Die Mutter hatte ihr auch vorhergesagt, dass sie einen außergewöhnlichen Menschen treffen würde, der in den 30er Jahren in Indien zur Welt gekommen sei, und dass die Welt zweihundert Jahre brauchen werde, um ihn zu begreifen. Auf ihrer Suche nach sich selbst war Salama eines Tages in Margarethenried gelandet. In dem Dorf Margarethenried lag das Purvodaya, eines jener legendären Frühzeit-Zentren in Niederbayern, in dem schon in den 70er Jahren meditiert wurde wie verrückt – womit die damals rotgewandeten Sannyasins Otto Normalverbraucher verschreckten, weil sie als kleine Kommune zusammen lebten, liebten und im Sannyas Verlag Osho Bücher verlegten. Salama nahm dort an einer 10-tägigen Meditationsgruppe teil und erlebte automatisches Tanzen.
„Was ist das?“
„Das ist, wenn du den Körper nicht mehr in der Hand hast und einfach nur zulässt, wie er sich bewegt. Er tanzt von sich aus.“
Danach fuhr sie nach Pune und nahm Sannyas. Salama heißt Frieden. Von Osho hat sie viel Aufmerksamkeit bekommen. Nie hat er sie aufgefordert, in Indien zu bleiben. Immer war klar: Ihre Arbeit mit Menschen findet im Westen (in Deutschland und in Italien) statt. Das ist ihr Lebensmittelpunkt. Sie hatte sich kräftig fortgebildet: klientenzentrierte Gesprächstherapie nach C. Rogers, Psychodrama, Gestalttherapie, Encounter, Primärtherapie. Umso konsternierter war sie, als „damals in Oregon“ alle Therapeuten ein vierteljährliches Training nochmal durchlaufen sollten. „Ich doch nicht!“ Hinterher war sie froh, dass sie dabei war. Ein Buddhafeld ist eben ein ganz spezieller Platz.
DIE EHRENDOKTORWÃœRDE
Heute lebt Salama in einer großen Wohngemeinschaft, zusammen mit vielen Freunden in einer prachtvollen Gründerzeit-Villa mit großem Garten und alten Bäumen in Münchens Edelviertel Harlaching. Sie ist überzeugt von Wohngemeinschaften, „weil das der Ort ist für ehrliche Begegnung, Kommunikation und gegenseitige Unterstützung“, lauter Qualitäten, die ihr wichtig sind. Ihr Institut Heinrichs und Heinrichs betreibt sie mit ihren beiden Töchtern und noch einigen Mitarbeitern. Mit ihren 84 Jahren arbeitet sie einfach immer noch weiter. Im Gesundheitspark, dem durch die Sparpolitik der Stadt München die Pleite droht; im Osho Leela, wo sie im Herbst eine fortlaufende Abendgruppe startet namens: „Wer bin ich und wozu bin ich da?“ Und jeden Mittwoch veranstaltet sie bei sich zu Haus auch noch einen „offenen Abend“ und legt Karten (unbedingt telefonisch anmelden!).
Neulich war ihr alter Freund Veeresh in München. Der leitet die Humaniversity in Holland – ein humanistisches Wachstumszentrum im Osho-Stil, das in Holland Universitätsstatus hat. Er ließ ausrichten, dass er sich freuen würde, sie zu sehen. Salama verbrachte einen anregenden Nachmittag mit Veeresh. Zwei Wochen später lud er sie nach Holland ein. Salama fuhr hin und war baff: Veeresh verlieh ihr die Ehrendoktorwürde für ihr Lebenswerk! Salama war bewegt und stolz.
Salama Dr. h.c. Inge Heinrichs, Mitglied der Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie. Ihr Buch „Das Geheimnis der Lebendigkeit“ erschien 2001 im Kösel Verlag, ein weiteres Buch „Körpersprache als Schlüssel zur Seele“ erschien beim Peter Erd Verlag.
Was soll aus dir werden
Wenn nicht das Erwachen
Das Beten der Bäume
Der Vögel Gesang
Ein Herz voller Liebe
Voll Demut und Lachen
Was willst du denn sein
Wenn nicht das
Was du bistÂ
Salama
jung und schön
Salama in den Neuzigern
Mit ihrem Mann Wolfgang Heinrichs in den Sechzigern
Salama (re) mit Vater und Schwester